Vortrag über das Lebensende: Mein Wille geschehe?!

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07. November 2016

Dr. med. Carla Hennig

„Stellen Sie sich vor, Ihr Mann fällt plötzlich um. Sie wollen, dass er weiterlebt. Doch Sie wissen auch, dass er sich immer einen plötzlichen, schmerzfreien Tod gewünscht hat. Wie reagieren Sie?“ An diesem Beispiel machte Dr. med. Carla Hennig, ärztliche Leiterin des Palliative Care Team Düsseldorf, dem Publikum im Stiftssaal …

…von St. Margareta deutlich, in welch einem Dilemma Angehörige oft steckten, wenn es um das Lebensende geht. „Mein Wille geschehe?! Wie kann ich sicherstellen, dass ich am Lebensende so behandelt werde, wie ich es wünsche?“ Unter dieser Leitfrage hatten das Palliative Care Team Düsseldorf, das ASG-Bildungsforum, die Bürgerstiftung Gerricus, die Kirchengemeinde St. Margareta und die Ökumenische Hospizgruppe Gerresheim am vergangenen Mittwoch zum Vortragsabend eingeladen.

Dabei erläuterte Dr. med. Carla Hennig den 60 Anwesenden schlüssig, warum die schriftliche, konventionelle Patienten- verfügung in der Regel nicht gewährleistet, dass Menschen, die durch eine akute oder chronische Erkrankung sich selbst nicht mehr äußern können, medizinisch so behandelt werden, wie sie das wünschen. Unterstützt wird diese Aussage auch durch das am 6. Juli 2016 erschienene Urteil des Bundesgerichtshofes.

Um die individuellen Behandlungswünsche, deren Reichweite von minimaler bis maximaler (!) Versorgung gehen kann, durchzusetzen, gibt es in Ländern wie den USA, Kanada und Australien seit 20 Jahren das Konzept des Advance Care Planning (ACP). Dies ist ein lebenslanger, immer wieder änderbarer Gesprächsprozess mit in Gesprächsführung geschulten Gesundheitsmitarbeitern und unter Einbeziehung der Hausärzte und An-/Zugehörigen. Er ist transparent, überprüfbar und gibt im Notfall allen Handelnden, insbesondere auch den Tätigen im Rettungswesen, Sicherheit. Dazu zählt beispielsweise, dass der auf einem „Notfallbogen“ schriftlich festgehaltene Behandlungswunsch mit dem Patienten ins Krankenhaus fährt und nicht in irgendeiner Schublade verborgen bleibt, weil die Angehörigen nicht wissen, ob es eine Patientenverfügung gibt, wo diese zu finden ist und wie diese eigentlich gemeint war.

Während zum Beispiel bei der konventionellen Patientenverfügung oft nur von einer „weit fortgeschrittenen Krankheit“ und von Schmerzen die Rede ist, kämen bei der „Vorausschauenden Behandlungsplanung“ auch Fälle wie unablässige Luftnot und ständiges Erbrechen vor, so Carla Hennig.

Die Referentin (r.) mit Barbara Krug, die den Abend als Ehrenamtliche der Bürgerstiftung Gerricus und als Mitarbeiterin im Netz.werkmanagement des Palliative Care Teams Düsseldorf moderierte.

Prof. Dr. Jürgen in der Schmitten vom Institut für Allgemeinmedizin der Universität Düsseldorf hat das Konzept des ACP in einem Grevenbroicher Modellprojekt auf Deutschland übertragen www.beizeitenbegleiten.de. Unter dem Namen „Vorausschauende Behandlungsplanung“ ist es in das neue deutsche Hospiz- und Palliativgesetz eingeflossen.

Das Konzept der „Vorausschauenden Behandlungsplanung“ möchte Menschen helfen, ihre Behandlungswünsche im Falle einer Unfähigkeit, diese selbst zu äußern, zu entwickeln und für alle an der Umsetzung Beteiligten verständlich zu machen. Kernstück des Konzepts sind an mehreren Tagen durchgeführte, mehrstündige Aufklärungsgespräche, in denen die komplexen Fragen geklärt werden können. Dabei wird am Ende dokumentiert, dass der Unterzeichner entscheidungsfähig ist, dass er durch einen Arzt aufgeklärt wurde, dass er verstanden hat, worum es geht und dass die Beteiligten Bescheid wissen.

Großstädte wie München, Bochum und Frankfurt beginnen mit der Umsetzung dieses Konzeptes. Auch in Düsseldorf beginnt die Diskussion über eine Einführung. Dr. med. Carla Hennig, die mit ihrem Palliativnetzwerk der Stiftung des Evangelischen Krankenhauses Düsseldorf für diesen Gesprächsprozess gerade den 3. Platz beim Gesundheitspreis NRW zugesprochen bekam, hat ihn bereits in zwei Pflegeheimen ausprobiert. Sie ist überzeugt von diesem Weg, auch wenn er langwierig ist. Die Ärztin diskutierte auf ihre ruhige, aber sehr engagierte Art mit dem anwesenden Publikum. Sowohl Laien als auch Fachleute konnte man ansehen, dass Carla Hennigs Vortrag in ihnen etwas bewegt hatte.