Schockierende Kreuze in der Kunst

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12. Oktober 2018

Alfred Grimm und Prof. Dr. Stefanie Lieb diskutieren mit dem Publikum über Darstellungen von Kreuzen.

Dem christlichen Kreuz sprechen moderne Künstler offenbar eine besondere Kraft zu, die sie für ihr Schaffen nutzen und mit der sie ihre künstlerischen Aussagen verstärken wollen. Und verwenden es völlig anders als viele Christen, die im Kreuz das Symbol eines religiösen Bekenntnisses sehen. Durch diesen Gegensatz entstehen Irritationen und Spannungen, erklärte die Kunsthistorikerin Stefanie Lieb auf der Podiumsdiskussion „Zwischen Kult und Kunst – wie provokant darf ein Kreuz sein?“ im Stiftssaal von St. Margareta, zu der die ASG, die Kirchengemeinde St. Margareta und die Bürgerstiftung Gerricus eingeladen hatten.

„Moderne Kunstwerke können deshalb Christen irritieren und provozieren“ sagte Lieb und nannte als ein Beispiel ein Bild von George Grosz, der 1929 Christus am Kreuz mit Gasmaske und Soldatenstiefeln darstellt mit einer Sprechblase von oben „Maul halten und weiter dienen“. Wegen dieser Darstellung, mit der er politische Tendenzen seiner Zeit anprangerte, bekam er eine Strafe wegen Gotteslästerung.

Pfarrer Oliver Boss (stehend, li.) und Moderator Dr. Georg Henkel (stehend, re.)

Provokant auch eine Darstellung der Kreuzigung, bei der an einem einfachen, maroden Holzstück als Kreuz zwei Flaschen für Blutkonserven in Anlehnung von Maria und Johannes stehen. „Joseph Beuys hat sich mit dieser Objektkunst auf die christliche Botschaft eingelassen“, erläuterte Lieb. Er habe Christus als Impuls für das eigene Leben, habe im Leiden auch eine Kraft gesehen.

Unter anderem mit einer großen Serie von Kruzifix-Objekten ist der Künstler und Beuys-Schüler Alfred Grimm bekannt geworden. Im Rahmen der Podiumsdiskussion, die Dr. Georg Henkel vom ASG-Bildungsforum moderierte, nahm er zu einigen seiner Objekte Stellung. Das Kruzifix, in dem eine blutige Axt steckt, soll „das grausame Martyrium in Erinnerung bringen, das bei den schönen, melodiösen Kirchenliedern zu Karfreitag leicht verdrängt wird“ nannte er seine Motivation für dieses Objekt. Natürlich könne ein solches Objekt provozieren oder vor dem Kopf stoßen: „Aber das ist nicht meine Absicht. Allerdings nehme ich keine Rücksicht darauf, dass meine Objekte von manchen als schockierend empfunden werden.“

v.l.: Alfred Grimm, Prof. Dr. Stefanie Lieb, Dr. Georg Henkel und Michael Brockerhoff

Viele der Grimm’schen Kruzifixobjekte weisen auf das Leid von Menschen hin, stellte Lieb einen größeren Zusammenhang her. Etwa der Säufer-Christus mit dem Kreuz in der Jägermeister-Reklame, „der auf das verdrängte Problem der Alkoholsucht hinweist“. Jesus am Kreuz, der mit Strippen an Apparaturen einer Intensiv-Station verbunden ist, thematisiere das würdelose Sterben. Oder das Objekt „Geld regiert die Welt“ mit dem Berg aus Münzen, der das Kreuz ins Wanken bringt, kritisiere den Materialismus. „Durch diese Darstellungen kommt das Kreuz auf eine unbequeme Art dem Alltag wieder nahe, indem sie Leid auf dieser Welt aktualisieren“, sagte Lieb.

In der Kunstgeschichte habe sich immer wieder gezeigt, dass ein solch künstlerischer Umgang mit dem Kreuz von vielen empört abgelehnt werde. „In Gesprächen können aber die Fronten aufgebrochen werden“, so Lieb. Das wünscht sich Grimm ebenfalls. Gespräche miteinander sei eines der Ziele der Bürgerstiftung Gerricus, meinte der Vorstandsvorsitzender Michael Brockerhoff: „Dazu hat die Podiumsdiskussion sicherlich Anstöße gegeben.“